Im Zeichen der Lilie - Ein historischer und ethnografischer Blick auf die Pfadfinder in Deutschland

Im Zeichen der Lilie - Ein historischer und ethnografischer Blick auf die Pfadfinder in Deutschland

Prof. Dr. Wilfried Breyvogel, Essen

Tagungsband 2014, S. 85 - 117

Vortragstitel: Im Zeichen der Lilie – Symbole, Embleme und Rituale einer transnationalen Pfadfindergemeinschaft

Vortragsthesen:

1. Die Pfadfinderbewegung in all ihren Schattierungen ist für mich Bestandteil der großen Entwicklung der Jugendkulturen im 20. Jahrhundert. Jugendkulturen sind ihrerseits ein inversives Gegenstück gegen die Rationalität der Moderne. Sie stellen deren Prinzipien systematisch infrage, unterlaufen sie und erzeugen eine Sozialität, die durch den Anschluss an ein Zeichenensemble entsteht.

2. Um diesen Sachverhalt genauer zu fassen, nehme ich knapp auf Ernst Cassirer und seine Philosophie der symbolischen Formen (1923, 1994 9.Auflage) Bezug. Jugendkulturen (auch die Pfadfinderbewegung) repräsentieren im Kern einen „magischen Kosmos“, in dem Wahrnehmung und Wirklichkeit noch vormodernen Denk- und Sozialformen entsprechen. So lassen sich drei Unterschiede festhalten: 1. Das Verhältnis von Intensität und Distanziertheit, 2. Die Differenz von Zeichen und Bezeichnetem und 3. Das Prinzip der Ähnlichkeit als soziales Bindemittel gegenüber dem Prinzip der Kausalität und Begründetheit.

An diese Bezugnahme schließt sich die Frage, wie viel „magischer Kosmos“ noch in den Formen von Zeichen, Symbol, Emblem und Ritual in der Pfadfinderschaft steckt? Sind Gemeinschaft, Zeltlager mit Feuer und Kreis und die Kluft - so die Analyse von Jörgen Schulze-Krüdener (am Beispiel der DPSG) - die (letzten?) zentralen Bindemittel der Pfadfinderschaft. Wie sind vor diesem Hintergrund die Brüche, Modernisierungen und Anpassungen (wie die Pädagogisierung) zu sehen? Was suchen, was ersehnen sich Kinder und Jugendliche mit ihrem Beitritt?

3. Im dritten Teil wird mit Bezug auf A. van Gennep, Übergangsriten, Ffm. 2005 (3. Auflage) der Blick noch einmal geöffnet. Dabei kommen die bei den Pfadfindern anfangs besonders stark ausgeprägten Rituale der Bewährung (und des Aufstiegs) in den Blick. Noch präziser wird deren Bedeutung erfassbar, wenn als Bezugspunkt beispielhaft die gegenüber Gennep historisch näheren Initiationsriten der Berufsstände, so eine Dissertation von E. Kohn, publiziert bei Siegfried Bernfeld, Wien 1922, einbezogen werden. Ihr Verschwinden zwischen 1850 und 1960 bei gleichzeitigem Bedeutungszuwachs der Jugendphase kann verdeutlichen, dass die Jugend- wie auch die Pfadfinderbewegung eine Ersatzsuche für die durch schulische Erziehung entfallenen ritualisierten Übergangs- und Bewährungsformen darstellen.

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